Förderliche Blende

Das Problem der Schärfentiefe wird im Bereich der Makrofotografie verschärft durch die Tatsache, dass man ab einem bestimmten Abbildungsmassstab die Blende nicht einfach auf den maximal möglichen Wert schliessen darf! Schuld an dieser zusätzlichen Einschränkung sind die physikalischen Eigenschaften des Lichtes. Licht wird nämlich nicht nur durch Linsen und Prismen, sondern auch durch die Kanten mechanischer Bauteile abgelenkt (gebrochen). Ein solches Teil ist unter anderem die Irisblende eines Objektives. Zwar fallen die meisten Lichtstrahlen völlig ungehindert und geradlinig durch die Öffnung; aber jene Strahlen, die gerade streifend auf die Blendenlamellen fallen, erfahren eine leichte Ablenkung. Das Resultat ist ein feiner Lichthof um jeden abgebildeten Punkt, was sich letztlich als schlichte Unschärfe bemerkbar macht. Dieser Effekt liegt in der Wellennatur des Lichtes begründet und lässt sich durch nichts verhindern.

Prisma

Bild: Lichtbrechung am Beispiel eines Glas-Prismas
Illustration: Christian Reding

Bei grossen und mittleren Blendenöffnungen ist der Anteil des derart gestreuten Lichtes unbedeutend. Bei extremer Verkleinerung der Öffnung fällt aber die Streuung immer mehr ins Gewicht. Die Folge: Ab einer bestimmten Grösse der Blende - förderliche Blende genannt - überwiegt der allgemeine Schärfeverlust den Zugewinn an Schärfentiefe. Je grösser der Abbildungsmassstab, um so früher wird dieser Punkt erreicht. Bei den üblichen grossen Aufnahmeentfernungen besteht auch bei grösstmöglicher Abblendung (in der Kleinbild- und Mittelformatfotografie meist F 22 oder F 32) keine Gefahr.

Wenn sich der Abbildungsmassstab aber in der Grössenordnung von 1:1 und darüber bewegt, muss man diesem Effekt Rechnung tragen. Bei 1:1 liegt die förderliche Blende bei 22, was eine Schärfentiefe von 2,5 Millimetern ermöglicht. Bei einer fünffachen Vergrösserung (Massstab 5:1) stellt bereits Blende 8 das Optimum dar - auch wenn man angesichts des hauchdünnen Schärfebereiches von nur noch einem Zehntelmillimeter liebend gerne stärker abblenden würde!

Für das Problem der geringen Schärfentiefe gibt es keine technische Lösung; die Gesetze der Optik lassen sich durch kein Zubehör überlisten. Es bleibt nichts anderes übrig, als der Physik durch gestalterische Massnahmen ein Stück weit entgegenzukommen. Das heisst, man sollte versuchen, alle wichtigen Elemente eines Motives in einer zur Aufnahmeachse senkrecht stehenden Ebene anzuordnen, um sie damit möglichst im hauchdünnen Bereich der Schärfentiefe unterzubringen. Ein Unterfangen, das bei dreidimensionalen Objekten oft der Quadratur des Kreises gleicht. Kompromisse werden daher häufig nicht zu umgehen sein!Eine Mögliche Lösung des Problems ist das Aufnehmen des gleichen Bildausschnittes bei verschiedenen Schärfe-Ebenen. Später lassen sich die verschiedenen Bilder am Mac (oder PC) zusammenführen.

© Text: 1995 Adrian Bircher
© Bild: 2001 Christian Reding