Professional-Emulsionen

Bei den Diapositivfilmen sind von den gebräuchlichsten Typen häufig zwei Versionen auf dem Markt: eine Amateur- und eine Professional-Emulsion. Worin unterscheiden sich die beiden Materialien und wann lohnt sich der Einsatz der meist teureren Professional-Emulsion?

Um die Unterschiede zu verstehen, muss man wissen, dass ein Film, so wie er das Herstellerwerk verlässt, leider kein völlig stabiles Produkt mit gleichbleibenden Eigenschaften ist. Innerhalb der lichtempfindlichen Schicht spielen sich auch nach der Produktion bestimmte chemische Reaktionen ab, welche das Verhalten eines Filmes zwar langsam, aber mit der Zeit doch mess- und sichtbar verändern.

Profi Film

Bei Profi-Filmen besonders wichtig:
Das Ablaufdatum auf der Filmschachtel (hier gelb hervorgehoben)

Bei Schwarzweiss-Filmen kann es selbst bei nicht optimaler Lagerung Jahre dauern, bis die chemischen Veränderungen sich beim Gebrauch bemerkbar machen. Farbmaterialien hingegen reagieren wesentlich empfindlicher. Ursache dafür ist der kompliziertere chemische Aufbau sowie die trotz grosser Fortschritte nach wie vor beschränkte Stabilität bestimmter Stoffe.

Farbfilme besonders betroffen
Leider reagieren ausgerechnet die farbgebenden Verbindungen am empfindlichsten, so dass bei Veränderungen die visuell heikelste Komponente, nämlich die Farbwiedergabe, betroffen ist. Die Emulsion von Farbfilmen besteht grundsätzlich aus drei bis vier (Fuji) Schichten, von denen je eine für die Wiedergabe der drei Grundfarben Rot, Grün und Blau verantwortlich ist. Nur bei exakter Abstimmung aller drei Schichten wird eine neutrale Farbwiedergabe erreicht. Leider aber verlaufen die zeitlich bedingten Veränderungen der drei Schichten nicht parallel, so dass das sensible Gleichgewicht im Laufe der Zeit gestört wird, was eine Verfälschung der Farbwiedergabe bedeutet.

Gefürchtet sind in diesem Zusammenhang Farbstiche zweiter Ordnung. Darunter versteht man Farbstiche, die in den Schatten in eine andere Richtung tendieren als in den Lichtern. Solche Stiche können mit konventionellen Labortechniken nicht mehr ausgefiltert werden (siehe Foto weiter unten).

Filme müssen reifen
Dieser drohenden Farbverschiebung wirkt der Hersteller entgegen indem er die Abstimmung der frisch gegossen Emulsion so gegensteuert, dass der Film zum Zeitpunkt des Verkaufs an den Endverbraucher optimale Eigenschaften erreicht. Die Vorgänge, die im Zeitraum von der Produktion bis zum Gebrauch ablaufen, nennt man Reifung. Nach Erreichen des Optimums läuft die Reifung aber weiter und währe dann besser mit «Verderben» zu bezeichnen. Dies ist der Grund, dass Filme nur eine beschränkte Lagerfähigkeit aufweisen und stets mit einem Verbrauchsdatum ausgezeichnet sind, dem man im eigenen Interesse Beachtungschenken sollte!

Man bedenke auch, dass das Verbrauchsdatum korrekterweise mitdem Hinweis «zu entwickeln bis:» angegeben wird. Die Reifung läuft nämlichauch nach der Belichtung weiter und kommt erst mit der Entwicklung zum Stillstand. Das Problem dieser Art der Abstimmung liegt darin, dass die Wege vom Hersteller zum Verbraucher nicht überall die gleiche Länge haben. Auch in sogenannt zivilisierten Ländern mit einem einigermassen konstanten Filmverbrauch muss sich der Amateur daher mit einem Farbfilm im Bereich zwischen «noch nicht ganz reif» und «bereits etwas überreif» zufrieden geben. Die Differenzen sind zwar gering und in der Amateurfotografie meist völlig unbedeutend.


Foto: Die violetten Ränder zeugen von einer
Überschreitung des Ablaufdatums des Filmes (hier ca. 2 Jahre!)

Kühlung bremst den Reifungsprozess
Dennoch hat die Filmindustrie für die Berufsfotografen ein zweites und aufwendigeres Vertriebssystem eingerichtet. Professional-Filme werden grundsätzlich genau gleich wie alle anderen Filme hergestellt. Der Unterschied beginnt beim Reifungsprozess. Die Profi-Emulsionen reifen nämlich nicht auf dem langen Weg vom Hersteller über den Importeur und Händler bis zum Kunden, sondern unter genau kontrollierten klimatischen Bedingungen beim Hersteller selbst. Kurz vor Erreichen des optimalen Reifegrades (der periodisch überprüft wird) erfolgt der Versand an die Grossisten, welche den gesamten Vorrat an Professional Filmen bei optimaler Kühlung lagern. Von dort gelangen die Filme bei Bedarf auf dem kürzesten Weg direkt zum Fotografen, der sie seinerseits ebenfalls unverzüglich in die Kühltruhe legt.

Das Geheimnis der Professional-Filme liegt also vor allem in der Lagerung nach Verlassen des Herstellerwerkes. So kalt wie möglich lautet in diesem Falle die Devise. Bereits in einem normalen Kühlschrank (etwa 4° bis 6°) wird die Reifung stark verlangsamt. Bei Gefriertemperaturen um -18° kommt sie praktisch ganz zum Erliegen. Der Berufsfotograf hat dank diesen Massnahmen die Gewähr, über eine möglichst gleichbleibende Farbabstimmung seiner Filme zu verfügen und auch bei einem Emulsionswechsel (andere Emulsionsnummer) keine unangenehmen Überraschungen zu erleben. Wegen des erhöhten Aufwandes sind Professional-Filme auch teurer als die normale Amateurversion.

Fazit:
Professional-Filme haben nur dann einen Sinn, wenn sie wirklich bis zum Verbrauch kühl gehalten und nach der Belichtung sogleich entwickelt werden. Wer sich vor einer längeren Reise (zum Beispiel einer mehrmonatigen Expedition) mit Professional-Material eindeckt und dieses nicht kühl halten kann, hat nach seiner Rückkehr garantiert überreife Filme im Gepäck. Besser fährt, wer in einem solchen Fall möglichst frische Amateur-Filme sucht. Fällt das Reife-Optimum dann etwa in die Mitte der Reise, ist gesamthaft mit einer neutraleren Farbwiedergabe als mit teureren Professional-Filmen zu rechnen.

© Text: 1995 Adrian Bircher
© Bild: 1995 Christian Reding (Arbeitsbuch)